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Heinz Mayer

Warum brauchen wir eine Generalstaatsanwaltschaft?

Wie in fast allen demokratischen Staaten ist die Verfolgung von gerichtlichen Straftaten nach dem sogenannten Anklageprinzip organisiert. Dies bedeutet, dass Staatsanwälte und Richter verschiedene Personen sein müssen und dass Richter nur dann tätig werden können, wenn ein Staatsanwalt Anklage erhebt. Bleibt ein Staatsanwalt untätig, kommt es zu keinen Ermittlungen und folglich auch zu keinem Urteil.

Richter sind in ihrem Amt unabhängig und weisungsfrei; sie haben ausschließlich nach dem Gesetz zu urteilen. Dies gilt nicht für Staatsanwälte; sie sind zwar Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, unterstehen aber dem Bundesminister für Justiz. Daher hat ein politisches Organ die Möglichkeit, das Vorgehen der Staatsanwälte zu steuern. Der Justizminister und seine Beamten können Ermittlungen blockieren, stoppen, einstellen lassen und die Erhebung von Anklagen untersagen. Vor allem in den letzten Jahren wurde bekannt, dass von diesen Möglichkeiten in bestimmten Fällen reichlich Gebrauch gemacht wird; dies vor allem dann, wenn es sich um Persönlichkeiten handelt, die zur politischen oder wirtschaftlichen Elite zählen. Damit hat sich in der Praxis ein 2-Klassen-System der Strafverfolgung etabliert. Der einfache Bürger, der keinen Zugang zum Justizministerium hat, wird nach dem Gesetz verfolgt, Personen mit politischem Einfluss können allenfalls mit einer wohlwollenden Behandlung durch politische Intervention rechnen.

Dieses System ist im Rahmen der Europäischen Union eine rare Ausnahme; Österreich könnte heute mit diesem System der Strafverfolgung nicht mehr der Europäischen Union beitreten.

Es ist daher dringend erforderlich, dass die Möglichkeit eines politischen Einflusses auf die Strafverfolgung beseitigt wird. Wir brauchen Staatsanwaltschaften, die nach dem Muster der Gerichte organisiert sind und die gleiche Unabhängigkeit wie diese genießen. Ihre Handlungen sollen richterlicher Kontrolle unterliegen. Eine Arbeitsgruppe des Justizministeriums hat vorgeschlagen, an die Spitze von Staatsanwälten eine Generalstaatsanwaltschaft zu stellen, die in Senaten die Aufsicht und die Weisungsfunktion über die Staatsanwaltschaften besorgt. Ein Einfluss des Ministeriums auf die Staatsanwaltschaften soll ausgeschlossen werden. Dieses Konzept entspricht mittlerweile dem europäischen Standard und liegt auch der Europäischen Staatsanwaltschaft zugrunde.

Es darf in Zukunft nicht mehr so sein, dass es sich bestimmte Personen „richten können“ und für allfällige Straftaten nicht zur Verantwortung gezogen werden; solche Strafverfahren dürfen nicht mehr „daschlogen“ werden! In Fachkreisen ist dies mittlerweile anerkannt. Jetzt braucht es den entsprechenden politischen Willen, dieses Konzept auch umzusetzen und die bestehende 2-Klassen-Strafjustiz abzuschaffen.

 

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Heinz Mayer

Heinz Mayer

Jurist, ehemaliger Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien
Heinz Mayer

Heinz Mayer

Jurist, ehemaliger Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien
Bild: Heinz Mayer