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Heide Schmidt

Wir sind Demokratie – jede*r Einzelne zählt

Es kommt auf jede(n) Einzelne(n) von uns an. Das ist der Kern des Systems Demokratie, der Lebensform Demokratie und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Gesellschaftliche Entwicklungen mögen mit Wirtschaftsdaten, geografischen Gegebenheiten, klimatischen Bedingungen, Kriegen, Religion und anderem erklärt werden – wie mit diesen Umständen umgegangen wird und welche Lebensqualität oder welches Unheil sich daraus ergibt, bestimmt immer der Mensch; es gibt kaum eine Automatik, die nicht vom Menschen beeinflussbar wäre.

Geschichte und Gegenwart beweisen es: Der oder die Einzelne kann die Richtung einer Gesellschaft (mit)bestimmen, jede Mehrheit setzt sich aus vielen Einzelnen zusammen. Und doch erfährt der Satz „auf mich kommt‘s nicht an“ eine immer größere Verbreitung. Dabei richtet sich jede Wahlwerbung an uns als Einzelne und fordert damit unsere individuelle, eigenverantwortliche Reaktion heraus. Wir nehmen – zu oft unreflektiert – Informationen auf, die unsere individuellen Schlussfolgerungen bestimmen.

Das gesellschaftliche Verhalten, das daraus entsteht, ist maßgeblich für die Politik, die die Spielregeln beschließt, an die wir alle uns zu halten haben. Wieso schätzen so viele Bürger:innen die Gestaltungsmacht durch ihr Wahlverhalten so gering, dass sie nicht wählen gehen?

Desinteresse und Enttäuschung sind sicher zwei von mehreren Erklärungen, doch kann man wirklich reinen Gewissens das Feld den Zornigen überlassen, die aus Unzufriedenheit das „alte System“ zerstören wollen, ohne zu bedenken, wie denn ein neues aussähe und was das für die Menschen bedeuten würde?

Das Recht des Stärkeren darf sich nicht wieder etablieren und da wir wissen – in der Fehleinschätzung, sie würden zu den Gewinnern gehören – dass viele dieses politische Prinzip wählen, müssen wir dagegenhalten.

Die sich verändernde Welt setzt die Demokratie unter Druck. Sie hat Erfolgsgeschichte geschrieben, aber nun sind Kipppunkte erreicht. Die Ausbeutung der Natur mit existenzrelevanten Auswirkungen auf das Klima und ein grenzenlos entfesselter globalisierter Kapitalismus sind nur zwei Beispiele von vielen. Doch nicht das System Demokratie ist daran schuld, sondern wie egoistisch und verantwortungslos wir es einfach benutzt haben.

Wir müssen uns daher wieder auf ihre Stärken besinnen und diese den neuen Gegebenheiten anpassen.

Man mag Parteiprogramme ernst nehmen oder nicht, aber sie enthalten Zielvorstellungen und drücken damit eine Haltung aus. Daraus ergeben sich sehr unterschiedliche Gesellschaftsvorstellungen, die zu verhandelnder Kompromisse bedürfen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass in jeder Koalition Platz sein muss, damit die Parteien ihren Markenkern sicht- und spürbar machen können.

Was aber ist von nationalistischer Politik zu erwarten? Nicht nur das Gemeinwohl, schon viel zu lange nicht mehr öffentliches Thema, würde eine Neudefinition erfahren.

Es ist eine Realität, ja nahezu Plattitüde: Wir haben Reform- und Weiterentwicklungsbedarf. Noch ist die Richtung nicht vorgegeben. In Österreich wird sie am 29. September und in den darauffolgenden Koalitionsverhandlungen entschieden.

Dieser Text ist eine Kurzfassung von Heide Schmidts Artikel in „Das Feuilleton“ und wurde uns von der Autorin dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

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privat

Heide Schmidt

Heide Schmidt ist eine österreichische Politikerin und Juristin (zunächst FPÖ, ab 1993 LIF, seit 2014 NEOS). Sie war bis 1990 Mitglied des Bundesrates, anschließend bis 1999 Abgeordnete zum Nationalrat und von 1990 bis 1994 dessen Dritte Präsidentin. Sie war Mitgründerin des Liberalen Forums und bis 2000 dessen Bundessprecherin.
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Heide Schmidt

Heide Schmidt ist eine österreichische Politikerin und Juristin (zunächst FPÖ, ab 1993 LIF, seit 2014 NEOS). Sie war bis 1990 Mitglied des Bundesrates, anschließend bis 1999 Abgeordnete zum Nationalrat und von 1990 bis 1994 dessen Dritte Präsidentin. Sie war Mitgründerin des Liberalen Forums und bis 2000 dessen Bundessprecherin.
Bild: privat